Abgeltungssteuer – als Chance verstehen

Über die Abgeltungssteuer wird derzeit viel Wirbel gemacht. Vor allem in der Werbung wird dieser Begriff häufig verwendet. Zumeist wird die Abgeltungssteuer als großes Übel dargestellt. Es kommt zu einer Steuermehrbelastung oder gar zu einer erstmaligen Steuerbelastung und somit zu Versorgungslücken in der Altersvorsorge.

Sogar die Werbeikone Herr Kaiser schlägt vor, man müsse ja nicht bei jeder Steuer mitmachen, es gäbe ja schon genug Steuern, wie die Mehrwertsteuer, die Hundesteuer und die Biersteuer. Es wird geraten „seien Sie schneller als die Abgeltungssteuer“

Diese Informationen sind jedoch zumeist – bewusst – irreführend. Die Abgeltungssteuer bringt durchaus das Potential mit sich, die Steuern zu mindern, wenn man sie anzuwenden weiß.

Zunächst: entgegen der Aussage der Werbung ist die Abgeltungssteuer keine eigene Steuer, wie zum Beispiel die Hundesteuer, die Mehrwertsteuer, die Biersteuer. Tatsächlich stellt die Abgeltungssteuer nur eine besondere Form der Einkommenssteuer dar, die bereits seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt ist.

Der Begriff Abgeltungssteuer stammt daher, dass diese Steuer direkt an der Quelle des Einkommens einbehalten und an den Fiskus abgeführt wird. Soweit die Abgeltungssteuer Anwendung findet, ist die auf diese Einkünfte zu zahlende Einkommenssteuer damit abgegolten. Diese Einkünfte müssen dann nicht mehr gesondert erklärt werden. Dadurch werden die Einkünfte – unabhängig vom persönlichen Steuersatz – mit 25 %  versteuert. Die Kirchensteuer und der Soli werden hierauf jedoch noch aufgeschlagen. Auch wenn der persönliche Einkommenssteuersatz höher ist, kommt es nur zu einer Versteuerung mit 25 %.

 

Beispiel:

Ein Arzt hat Einkommen aus seiner Praxis in Höhe von 100.000,00 EUR. Zudem werden ihm Zinsen in Höhe von 100.000,00 EUR ausgezahlt.

Mir dem Einkommen von 100.000,00 EUR wäre ein Spitzensteuersatz von 42 % anzusetzen. Somit wäre jeder weiterhin verdiente Euro mit 42 % (zzgl. Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag) zu versteuern. Mit der Einführung der Abgeltungssteuer werden diese Einkünfte aus Zinszahlungen jedoch mit 25 % versteuert, wodurch die zu zahlende Einkommenssteuer abgegolten ist.

Weiter: Abgeltungssteuerfrei heißt nicht zugleich Einkommenssteuerfrei. Soweit also dem Rat des Herrn Kaiser entsprechend eine Anlage gewählt wurde, die nicht der Abgeltungssteuer unterliegt, kann es durchaus zu einer Einkommenssteuerbelastung mit dem persönlichen Steuersatz führen. Soweit dieser persönliche Steuersatz höher ist als 25 %, kommt es gegenüber der Abgeltungssteuer zu einer Mehrbelastung. Im obigen Beispiel hätte dieser Rat, die Abgeltungssteuer zu meiden, also gerade die umgekehrte Wirkung.

Soweit der Steuerpflichtige einem geringeren Steuersatz unterliegt, als den mit der Abgeltungssteuer pauschal erhobenen 25 %, wäre er durch die Einführung der Abgeltungssteuer benachteiligt. Aber hier hat der Gesetzgeber dem Steuerzahler ein Hintertürchen offengelassen, um diese Mehrbelastung zu verhindern. Der Steuerpflichtige steht jetzt jedoch in der Handlungspflicht, um die zu viel gezahlten Steuern zurück zu erhalten. Er muss hierzu bei der Einkommenssteuerveranlagung beantragen, dass die Einkünfte, die der Abgeltungssteuer unterliegen, seinem Einkommen hinzugerechnet werden und entsprechend seinem persönlichen Steuersatz unterworfen werden.

 

Beispiel:

Die Auszubildende hat ein jährliches Einkommen von 3.000,00 EUR. Zudem hat sie Zinseinkünfte von 4.500,00 EUR. Das Gesamteinkommen beläuft sich also auf 7.500,00 EUR. Da der Grundfreibetrag 7.664,00  EUR beträgt, ist der persönliche Einkommenssteuersatz 0 %.  Tatsächlich werden der Auszubildenden jedoch bereits über den Steuerabzug 25 % von 4.500,00 EUR, also 1.125,00 EUR, abgezogen.

Soweit die Auszubildende beantragt, dass die Zinseinkünfte entsprechend ihrem persönlichen Steuersatz versteuert werden, wird die Einkommenssteuer also mit 0,00 EUR angesetzt. Die vorausgezahlten 1.125,00 EUR werden ihr mit der Einkommenssteuerveranlagung erstattet.

Zuzugeben ist, dass die Steuerreform nicht nur Gutes mit sich bringt. Im Gegenzug zur Einführung der Abgeltungssteuer, die die oben genannten Verbesserungen mit sich bringt, werden Einkünfte versteuert, die zuvor steuerfrei waren. Am deutlichsten ist die Einbeziehung von Veräußerungsgewinnen soweit sie bei  der Veräußerung von Anteilen an einer GmbH und  an einer AG sowie aus der Veräußerung von Dividenden- oder Zinsscheinen anfallen. Während die Gewinne bislang steuerfrei blieben, soweit die Veräußerung außerhalb der Spekulationsfrist erfolgte, sind die Gewinne nunmehr immer zu versteuern.

Diese Gewinne bleiben jedoch auch dann noch weiterhin steuerfrei, wenn die Kapitalanlagen, aus deren Verkauf der Gewinn stammt, vor dem 01.01.2009 erworben worden sind.

Es bleibst also festzuhalten, dass man sich durch die vielfältige Werbung nicht verunsichern lassen sollte. Es wird nunmehr auch durch die Einführung der Abgeltungssteuer versucht, die breite Masse zum schnellen Kauf zu bewegen. Weiterhin sollte sich aber jeder Steuerpflichtige dahingehend beraten lassen, ob er mit der Abgeltungssteuer gut dasteht, oder ob er die Unterwerfung unter den persönlichen Steuersatz beantragen sollte. Hierzu ist eine auf den Einzelfall zugeschnittene Beratung erforderlich.